Freitag, 24. Juni 2011

In einem Taxi nach Nha Trang

Nachdem ich das tolle Buch von Leo P. Ard "Mein Vater der Mörder" gelesen hatte, habe ich natürlich mit dem Autor Kontakt aufgenommen und ihm von meiner Suche nach der unbekannten Schwester erzählt.
Er hat mir freundlich geantwortet und einem guten Freund von ihm meine Geschichte auch erzählt. Dieser hat beruflich sehr gute Kontakte nach Vietnam und hat gestern lange mit mir telefoniert.
Im Rahmen seiner Möglichkeiten will er mich bei meiner Suche unterstützen.
Und das Beste: Den Taxifaher aus dem Buch, der in Nha Trang lebt und dem Helden des Buches auf der Suche hilft, den gibt es wirklich! Der reale Taxifahrer in Nha Trang ist die Vorlage für den fiktiven Taxifahrer im Buch.
Dieser Taxifahrer wird demnächst vor Ort in Nha Trang für mich auf die Suche nach meiner Schwester gehen.
Ich hoffe, er hat so viel Erfolg wie im Buch.
Das Leben schreibt die besten Geschichten!

Freitag, 10. Juni 2011

Mal was lesen?

Ich bin zurück aus dem Urlaub in Thailand und schon wieder auf dem Sprung für ein langes Wochende an die Nordsee.
Im Urlaub habe ich u.a. zwei Bücher gelesen die auch mit meiner Familienforschung zu tun haben.
Als erstes einen Krimi von Leo P. Ard: "Mein Vater, der Mörder".

Es geht um einen Vater der ein dunkles Geheimnis hat: Er war in der Fremdenlegion und kämpfte in Vietnam. Dort hat er eine Tochter von der sein Sohn in Deutschland nichts weiss. Durch einen Mord kommt der Sohn hinter das Geheimnis und macht sich auf den Weg nach Vietnam um seine Schwester zu finden.
Viele Parallelen zu meiner Familie, aber (zum Glück) auch einige Unterschiede.
Ich kann das Buch weiterempfehlen. Eine gute Urlaubslektüre.

Ein spannender Krimi
Als zweites habe ich im Urlaub eine Doktorarbeit gelesen: Von Karl Murk "Vom Reichsterritorium zum Rheinbundstaat - Entstehung und Funktion der Reformen im Fürstentum Waldeck (1780 - 1814)".
Das Buch ist zwar eine wissenschaftliche Arbeit, liest sich aber stellenweise wie ein Krimi. Das Fürstentum ist total überschuldet, die Gläubiger wollen ihre Kredite zurück. Der regierende Fürst ist ein 'Schöngeist' und interessiert sich nur für seine unmittelbaren Lebensumstände und ist reformunwillig. Sein Bruder Georg drängt auf Reformen, ebenso viele Gläubiger. Dies alles in der Zeit in der das deutsche Kaiserreich aufgelöst wird, die Nachbarstaaten das kleine Fürstentum am liebsten einverleiben würden und der französische Herrscher Napoleon sich anschickt ganz Europa seinen Stempel aufzudrücken. Das kleine Waldeck schliesst sich dem französischen Rheinbund an um seine Interessen besser geschützt zu sehen, aber mit dem Ende Napoleons drohen neue Gefahren für das kleine Fürstentum.
Spannend zu lesen und auf keinen Fall langweilig, für alle zu empfehlen die sich mit dieser Zeit auseinander setzen.
Eine spannende Doktorarbeit
Inzwischen sind auch die (handschriftlichen) Urkunden aus dem Staatsarchiv in Marburg bei mir eingetroffen, noch mehr Seiten die auf ihre Entzifferung und Übersetzung in aktuelle deutsche Schrift warten.

Dienstag, 17. Mai 2011

Herr Doktor - ohne Abschreiben

So, zurück von zwei anstrengenden Tagen mit Besuchen bei und in:
  • hessischen Staatsarchiv in Marburg
  • Waldeckischen Geschichtsverein in Bad Arolsen
  • Stadtarchiv in Korbach
  • Kreiskirchenamt in Bad Arolsen
  • Fürstlichen Waldeckische Hofbibliothek in Bad Arolsen
komme ich mit gefühlten 10 kg Kopien von uralten Unterlagen zurück (jede Menge Zeug in Kurrentschrift - brauch ich bestimmt viele Jahre für um das zu übersetzen!)
Und das Staatsarchiv scannt mir noch gefühlte 100 Seiten ein welche ich nicht kopieren konnte.

Als ich nachhause komme finde ich im Mailkasten die Abschlussarbeit von Georg Redlich an der Universität Utrecht aus dem Jahre 1794.

So sah eine Doktorarbeit 1794 aus
Alles auf Latein! Als wenn ich nicht genug mit der deutschen Schrift zu kämpfen hätte, jetzt auch noch eine tote Fremdsprache.
Dies ist ein Aufruf an die Lateiner mit viel Zeit unter euch: Jemand Lust das zu übesetzen? Und jetzt kommst: Sind nur 7 Seiten! So einfach kriegte man damals also den Doktortitel!
Hab es auch schon mit dem Google Translator versucht, kommt nur kauderwelsch bei raus.
Da ich in der nächsten Zeit anderweitig unterwegs bin, wird die Übersetzung des ganzen Zeugs also auf sich warten lassen müssen.

Sonntag, 15. Mai 2011

Mal so zwischendurch

Hallo,
mal wieder ist es ein wenig still geworden. Lag an vielen Dingen, ich will nicht jammern.
Aber damit alle Mitleser und Leserinnen auf den Laufenden sind folgende Updates für Euch:

  • Kent musste seinen Aufenthalt in Vietnam leider früher als geplant beenden und zurück in die USA fliegen, in seiner Familie gab es eine schwere Erkrankung. @Kent: My thoughts are with you and your familiy. I wish you all the best in these times. Thanks a lot for your support so far and I am sure we will find out more soon.
  • Im Familienstaumbaum sind jetzt fast 600 Personen enthalten. Hinzu gekommen sind Verwandte meiner Frau (grössteneils aus Oberhausen-Osterfeld) und Vorfahren meiner Grossmutter väterlicherseits. 
  • Vor Ostern waren wir u.a. in Bad Pyrmont und haben nach dem alten Gutshof und dem Turm vom Wappen der Familie gesucht. Leider damals vergeblich. Inwischen kenne ich durch Auskunft aus dem Stadtarchiv in Pyrmont die genaue Postanschrift. Heute ist dort ein Reiterhof.
  • Ostermontag waren meine Frau und ich in Bad Arolsen, zwar waren alle Archive und Bibliotheken geschlossen, aber wir haben uns eine Ausstellung im Schloss und im Museum 'Christian Daniel Rauch' angeschaut. Auf dem alten Friedhof in Arolsen haben wir das Grab der ersten Ehefrau meines UrUrUrGrossvaters gefunden. Sie starb als achtfache Mutter mit nur 34 Jahren 1810. Auf dem Friedhof steht heute noch der der grosse Grabstein. Die Inschrift kann man kaum noch lesen.

Grab von Sophie Catharina Escher in Arolsen
  •  Die Inschrift lautet: 'Seinem geliebten Weibe, der holden Sophie Escher, Mutter von acht Kindern, die im 35. Jahr starb. Georg Redlich'
Die verblasste Inschrift

  • Wir haben auch das Gut gesucht, welches 1803 ein Lehen meines Vorfahren wurde. In Meineringhausen gibt es noch heute ein verfallenes Gelände welches als "Gutshof" bezeichnet wird. Höchstwahrscheinlich ist es der richtige Hof. Mehr erfahre ich beim Besuch im Archiv in Korbach in der nächsten Woche.
Der verfallene Gutshof in Meineringhausen
  • Wahrscheinlich waren meine Vorfahren in früheren Generationen jüdischer Abstammung. Ein Hinweis im Buch "Lexikon aller Gelehrten aus Bremen" legt diese Vermutung nahe. Dort wird vom Proselyten Christian Redlich geschrieben. Dies war ein Ausdruck für Juden welche zu Christen geworden waren. Diese Spur werde demnächst weiter verfolgen.
  • Mein Urlaub hat begonnen, am Donnerstag fliegen wir nach Thailand (ich freue mich schon sehr darauf!). 
  • Am Montag und Dienstag werde ich die Zeit nutzen und für zwei Tage in die Welt der Archive abtauen im Staatsrachiv in Marburg, dem Archiv des Waldeckischen Geschichtsvereins,der Fürstlich Waldeckischen Hofbibliothek und im Stadtarchiv von Korbach. Dort werde ich sicher eine Menge neue Informationen ausgraben.
  • Meine Tochter schreibt grade ihre letzten Abi-Klausuren in Costa Rica und ist voll im Stress. Ich drücke ihr auch von hier ganz fest die Daumen. 

    Dienstag, 12. April 2011

    Wenn der Knoten platzt ...

    In den letzten Wochen hatte ich viel um die Ohren und krank war ich zusätzlich auch noch. Ich will nicht jammern, aber jenseits der 40 wird es immer ein wenig schwieriger. :-)

    In der Familienforschung habe ich mich intensiv mit meinen väterlichen Vorfahren beschäftigt. Beim Besuch des Genealogentages in Altenberge habe ich viele neue Kontakte geknüpft und bin u.a. auch der Mailingliste der Westfälischen Genealogen beigetreten.
    Wie üblich, habe ich mich sogleich kurz vorgestellt und meinen Forschungsschwerpunkt in der Genealogie umrissen.
    Gleich darauf kam Hilfe von einem anderen Genealogen: Jetzt kann ich die Familie meiner Grossmutter (Vaters Mutter) bis zum Jahre 1615 (!) nachweisen. Die Familie war bäuerlich geprägt und hat sich größtenteils in und um Greven (nicht weit von Münster entfernt) aufgehalten. Da die Dorfkirchen in den Kriegen (incl. des 30-jährigen Krieges von 1618 - 1648) nicht zerstört wurden, sind die alten Kirchenbücher noch erhalten. Diese sind in solchen Dingen eine unerschöpfliche Quelle.

    Die Vorfahren meines Grossvaters Walter Redlich habe ich auch weiter erforschen können. Um 1800 war mein UrUrUrGrossvater Justizrat für die Grafen von Waldeck. Damals, so wurde gemunkelt, wurde uns auch das Wappen mit dem Sinnspruch "Nil Clausum Sincero" verliehen.

    Ein Foto vom Wappenteller (den meine kleine doofe Schwester sich unter den Nagel gerissen hat)
    Bislang war das alles nur Gerücht - erst duch den Besuch bei der "alten Dame" Ilse Redlich wurde dieses Gerücht etwas erhärtet. Sie hat auch ein Bild des Wappens in ihrem Wohnzimmer hängen.
    Schon länger habe ich mich daher mit dem Gedanken getragen, in Bad Arolsen vor Ort ein wenig nachzuforschen um Licht in das Geheimnis zu bringen.
    Zur Vorbereitung habe ich einige Stellen in Arolsen per Mail kontaktiert und heute habe ich die Bestätigung erhalten: Das Wappen wurde der Familie Redlich 1803 von den Grafen Waldeck verliehen.
    Hier das Original aus dem Wappenbuch Waldeck:


    Die Struktur ist gleich wie auf dem Wappenteller und meinem Siegelring - auch wenn Teller und Ring 'nüchterner' in der Darstellung sind.
    Zeitgleich mit der Mitteilung über das Wappen erhielt ich weitere Hinweise über meine Familie in Arolsen. Ich werde also auf jeden Fall demnächst in Arolsen auftauchen und die Archive durchsuchen.

    Aus Vietnam habe ich bislang keine Neuigkeiten - obwohl ich natürlich hier noch mehr gespannt bin. Aber Kent wird sicher einen guten Job machen und ich bin überzeugt, wenn es was zu finden gibt, dann findet er es.

    Samstag, 12. März 2011

    102 Luftangriffe auf Münster

    Schon wenige Tage nach Beginn des zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 heulten zum ersten Mal die Sirenen der Luftschutzwarnzentrale für Münster. In der Nacht vom 4. auf den 5. September 1939 fielen dann die ersten sechs Bomben auf die Stadt. Sie zerstörten ein Lager in der Nähe des Hafens. Damals war es noch so ungewöhnlich für die Menschen, dass sie in den nächsten Tagen zu Tausenden zur Abwurfstelle gelockt wurden.
    Der nächste größere Angriff fand erst am 2. Juli 1940 statt, ein Holzlager am Hafen wurde getroffen und löste einen riesigen Brand aus. 500 Feuerwehrleute wurden zusätzlich nach Münster geschickt um zu löschen. Wegen der zahlreichen Blindgänger wurden die ersten Strassen evakuiert und die Bewohner in Sälen und Schulen untergebracht.
    Nach fast einem Jahr ohne größere Angriffe wurde Münster vom 6. bis 10. Juli 1941 durch vier hintereinander folgende Großangriffe getroffen. Besonders der Hafen und das Gebiet um die Sonnenstrasse wurden zerstört. Zahlreiche Baudenkmäler wie der Dom, das Schloss und andere Kirchen erhielten ihre ersten Zerstörungen.
    In der dritten Nacht der Angriffe begann der Auszug zahlreicher Menschen aus der Stadt, etwa die Hälfte der Bevölkerung verbrachte die lauen Sommernächte in der näheren Umgebung der Stadt auf freiem Feld. Bunker waren damals noch nicht errichtet worden.
    Die Gerüchte über die Anzahl der Toten übertrafen die tatsächliche Anzahl von 47 um ein vielfaches. Bei vielen  Menschen gruben sich die Bilder von Feuer und Donner tief in die Erinnerungen.
    Der erste große Luftangriff am Tage erfolgte am 10. Oktober 1943. Es war ein klarer und warmer Sonntag. Viele Besucher waren in der Stadt. Um 14:55 Uhr wurde Alarm gegeben, viele Menschen konnten sich bis dahin nicht vorstellen, dass an einem solch hellen Tage ein Angriff erfolgen konnte. Mehr als 650 Menschen kamen bei diesem Angriff ums Leben.
    Die schwersten Schäden erlitten das Ägidiviertel und weite Teile der Innenstadt. Es wurden zahlreiche Spreng- und Brandbomben abgeworfen.
    Im November 1943 erfolgte ein Angriff mit ca. 90.000 Brandbomben, wegen starker Winde wurden viele jedoch in Gebiete außerhalb der Stadt abgetrieben und steckten so zahlreiche Bauernhöfe und Felder Mecklenbeck, Gievenbeck und Roxel in Brand.
    Die Luftabwehr wurde immer nutzloser da z.B. durch den Abwurf von Staniolstreifen die Funkmessgeräte unwirksam wurden.
    Bis Ende 1943 waren insgesamt 49 Angriffe auf Münster geflogen worden.
    Von den noch folgenden Angriffen sei besonders erwähnt der 12. September 1944, an diesem Tage wurden über 80.000 Brandbomben besonders auf den südlichen Stadtteil geworfen.
    Infolge der Zerstörungen an Wasserleitungen war die Feuerwehr in der Regel machtlos gegen die Flammen. Unzerstörte Gebäude fingen durch Funkenflug ebenfalls Feuer.
    Am 28. Oktober stürzte während eines Angriffs der Giebel des Rathauses ein.
    Im November 1944 zerstörte eine Spezialbombe den Schützenhofbunker. Sie drang durch 1,40m dicke Betondecke ein. Aus den Trümmern wurden fast 70 Tote geborgen.
    Immer mehr Menschen verließen Münster. Die Stadt war jetzt soweit zerstört, dass die meisten neuen Bomben in die Trümmer schon zerstörter Häuser fielen und keine neuen Schäden anrichteten.

    Herbst 1945: Wenn man genau hinschaut, erkennt man, es handelt sich um die Salzstrasse. Man erkennt Lamberti und am rechten Bildrand die Spitze der Dominikanerkirche.


    Am Palmsonntag, dem 25. März 1945 erfolgte der letzte Angriff auf die Stadt, welcher das Zerstörungwerk vollenden sollte. Etwa 1800 Spreng- und 150.000 Brandbomben wurden abgeworfen. Das Kuhviertel wurde jetzt total vernichtet. Überall in der Stadt wüteten Brände die nicht gelöscht werden konnten. Die Strassen waren voller Schutt der nicht mehr weggeräumt werden konnte. Nur noch 25.000 Menschen lebten in der Stadt. Schulkinder bis zum 14. Lebensjahr wurden im Herbst 1943 evakuiert.
    Mein Vater könnte also dabei gewesen sein, sein älterer Bruder vielleicht nicht.

    Wolfgang Redlich ca. 1944/45 aufgenommen.  Auf der Rückseite steht: "Zur Erinngerung an Deinen Bruder"
    Am 2. April rückten, nach einigem Artilleriebeschuss am Vortage, die alliierten Truppen in die Stadt ein. Es kam dabei zu keinen größeren Kämpfen mehr.
    Für die Bewohner der Stadt war der Krieg damit zunächst zu Ende.
    Bei den Luftangriffen wurden ca. 1300 Menschen getötet. Die Stadt wurde zu über 60 % zerstört, in der Innenstadt sogar über 90%. Während zivile Bauten wie Dom, Schloss, Theater völlig zerstört wurden, sind die militärischen Anlagen wie Kasernen, Generalkommando, Luftgaukommando nur gering beschädigt gewesen.
    Die gesamte Schuttmenge betrug etwa 2,5 Millionen Kubikmeter.

    Sommer 1946 - Der Prinzipalmarkt vom Lambertiturm aus gesehen
    In den nun folgenden Jahren wurde die Stadt, insbesondere ihr historischer Kern größtenteils wieder aufgebaut. Aber den Menschen der Stadt stand zunächst noch der Hungerwinter 1946/47 bevor, vom dem sie angesichts des gerade beendeten Krieges noch nichts ahnen konnten.

    Quellen: Stadtarchiv Münster, privat

    Montag, 28. Februar 2011

    Gut Ding will Weile haben

    Seit ich denken kann, lebte ich mit einem Bild von meinem Vater welches sich in erster Linie auf die Erzählungen anderer Menschen stützte. Lediglich die ersten fünf Jahre meines Lebens konnte ich mir einen eigenen Eindruck verschaffen, leider ist das nur eine sehr kurze Zeitspanne.
    Das Problem mit der Erzählungen anderer Menschen ist, dass diese Menschen immer nur ihre eigene, subjektiv gefärbte Sicht der Dinge, wiedergeben. Oft wissen sie es nicht besser und sind sogar von dem überzeugt, was sie sagen. Manchmal erzählen sie aber auch bewusst Falsches oder nur Halbwahrheiten damit die Geschichte besser in ihr eigenes Bild von der Welt passt.
    Um es offen zu sagen, das Bild welches ich durch diese Erzählungen über meinen Vater gewonnen habe, war kein gutes. So hies es beispielsweise, er hätte in seinem ganzen Laben nicht viel gearbeitet und sich eher so durchgeschlagen mit schlecht bezahlten Hilfsarbeiterstellen. Auch hätte er viel und oft getrunken und sich nicht um die Familie gekümmert. In seiner Jugend, vor seiner Zeit in Vietnam, wäre er wegen des §175 mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
    "Der § 175 des deutschen Strafgesetzbuches (§ 175 StGB-Deutschland) existierte vom 1. Januar 1872 (Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuches) bis zum 11. Juni 1994. Er stellte sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe." (zitiert nach Wikipedia)
    Dieser Mix aus Behauptungen über meinen Vater hat mich sicher auch jahrelang davon abgehalten mehr über meinen Vater zu erfahren. Will man wirklich mehr darüber wissen, wenn schon das, was so erzählt wird nicht gerade gut ausfällt?
    Ich bin heute froh darüber, dass ich mich letztendlich nicht davon habe abhalten lassen und selber angefangen habe meinen Vater (und seine Familiegeschichte) für mich zu entdecken.
    Die Überprüfung all dieser Behauptungen an der Wirklichkeit hat gezeigt, wie falsch sie waren. Wie unhaltbar sie sind.
    Mein Vater hat seit seinem sechzehnten Lebensjahr gearbeitet, bis auf kurze Unterbrechungen durchgehend. Er hat keine Ausbildung gemacht, wie es später üblich war. Dies lag aber in erster Linie aber wohl an den schwierigen Lebensbedingungen direkt nach dem Krieg. Geld zu verdienen war wichtiger als zu lernen, er musste im Hungerwinter 1946 deshalb sogar die Schule verlassen. Er hat Deutschland 1952 aus bislang unbekannten Gründen verlassen und in Vietnam als Soldat gekämpft, dadurch wahrscheinlich schlimme Dinge erlebt. Er war mutig genug um zu desertieren bevor er in einen neuen Krieg nach Algerien geschickt wurde und um bei seiner Gefährtin zu bleiben. Mit dieser hatte er ein Kind in Vietnam. sie waren, ob verheiratet oder nicht, eine Familie. Er hat auch in Vietnam ständig gearbeitet. Als er 1962 Vietnam verlassen musste hat er versuch von Deutschland aus seine Familie nachkommen zu lassen. Dies ist ihm nicht gelungen. Als meine Mutter dann 1963 von ihm schwanger wurde hat er sie nicht sitzen gelassen, sondern er hat zu ihr gestanden, auch wenn seine Mutter - die immer noch einen starken Einfluss hatte - wohl damit nicht einverstanden war. Mit dieser neuen Familie hat er vier Kinder gehabt. Auf allen Fotos aus jender Zeit, kann man sehen wie liebevoll er mit uns Kindern umgeht, seine Blicke sprechen für sich. Er lächelt auf allen alten Fotos seine Kinder an.
    Warum er sich 1969 umbrachte ist mir bis heute verborgen. Es kann sich nur um eine Kurzschlusstat - vielleicht nach einer Phase der Depression - gehandelt haben. Sein Schwager hat mir vor einiger Zeit dazu erzählt: "Er war des Lebens müde - nach allem was er erlebt hatte, in zwei Kriegen".
    Die Geschichte meiner Familie ist auch noch nicht zuende erzählt, erst heute habe ich einen dicken Umschlag mit alten Fotos von einem Verwandten aus Mudau erhalten. Dazu Unterlagen über den Stammbaum.

    Geplant ist hier im Blog als nächster Post ein Eintrag über den Bombenkrieg 1942-1945 in Münster und wie sehr die Menschen damals darunter gelitten haben.
    Die Unterlagen liegen hier seit Wochen rum, ich schaffe es einfach nicht sie auszuwerten und daraus einen Blogeintrag zu machen.
    Ich muss mir eingestehen, dass mich diese Recherchen auch mental belastet haben. Die Beschäftigung mit dieser Geschichte ist eben nicht nur ein Spaziergang im Sonnenschein. Es berührt nicht nur die Geschichte meiner Familie sondern auch mich ganz persönlich. Auch ich bin ein Vater - der es nicht immer leicht hat. Auch ich habe damit zu kämpfen, was erzählt und behauptet wird. Ich hoffe, die Überprüfung an der Wirklichkeit wird letztendlich der Prüfstein sein.
    Der Schock über den Selbstmord des Vaters aber auch das Schweigen danach, haben mich und meine Geschwister (ob sie es wahr haben wollen oder nicht) massiv beeinflusst. Die Seele, oder wie man heute besser sagt: die Psyche, leidet ein Leben lang darunter. Sie haben uns zu den Menschen gemacht die wir heute sind, und jeder von uns hat seinen ganz eigenen Weg gefunden damit umzugehen.
    Für mich ist es an der Zeit dieses Trauma hinter mich zu lassen. Zu lange habe ich angenommen, dass es gar keine Bedeutung für mein eigenes Leben hätte.
    Es werden also wieder neue Blogeinträge folgen und die Geschichte bleibt spannend. Versprochen.

    Sonntag, 6. Februar 2011

    Sütterlin - oder: wie ich lernte auf deutsch zu schreiben

    An diesem Wochenende habe ich einen Kurs in Sütterlin gemacht. Das ist eine vereinfachte Version der deutschen Schreibschrift. Heute schreiben wir ja alle mit lateinischen Buchstaben bzw. leichten Abwandlungen davon. Aber unsere Eltern und Grosseltern schrieben alle noch in "Sütterlin" - also deutschen Buchstaben.
    Die Schrift heisst so nach ihrem "Erfinder": Ludwig Sütterlin. Um den Kindern in den Schulen das Erlernen der deutschen Schreibschrift zu erleichten war er von der preussischen Regierung um 1915 beauftragt worden, eine einfachere Schrift zu erfinden. Er erleichterte einige Regeln und bis 1935 setzte sich die Schrift an allen Schulen durch.
    Hier ein Beispiel:
    Schulheft von 1929

    Heute braucht man diese Schrift um alte Urkunden aus Standesämtern und Kirchenbüchern noch entziffern zu können.
    Der Kurs war ein voller Erfolg - direkt im Anschluß habe ich alle meine Geburts- und Sterbeurkunden aus dem Stadtarchiv Münster übersetzen können.

    Sonntag, 30. Januar 2011

    Nil Clausum Sincereo

    Jeden Tag kommt was Neues raus.
    Gestern habe ich mit der Ehefrau des (leider) verstorbenen Jazz-Musikers Fred Redlich telefoniert. Sie ist 89 Jahre alt und lebt noch immer in Münster. Vor einiger Zeit hatte ich alle Redlichs, die im Telefonbuch stehen angeschrieben, mit einem Auszug aus meinem Stammbaum und um Kontaktaufnahme gebeten, falls wir gemeinsame Vorfahren hätten.
    Aber ich hätte niemals damit gerechnet ausgerechnet diesen Kontakt zu erhalten!
    Während wir so plaudern am Telefon erwähnt sie das Wappen welches bei ihr im Wohnzimmer hängt, ihr Mann hätte es von Verwandten erhalten. Ich bin fast umgefallen. Ich konnte ihr das Wappen genau beschreiben: Ein Turm mit offener Tür, darüber zwei kleine Fenster, über dem Turm ein Helm, dreifach befiedert. Um das Waffen steht der lateinische Sinnspruch: "Nil Clausum Sincereo". (Etwas frei übersetzt: 'Dem redlichen bleibt nichts verborgen').
    Sie war natürlich auch total überrascht, daß ich das Wappen kannte. Von meinem verstorbenen Onkel Herrmann habe ich nach seinem Tod einen Siegelring mit genau diesem Wappen erhalten. Da ich jetzt der Älteste männliche Nachkomme der Redlichs sei. Damals (1985) habe ich wenig darum gegeben, jahrelang lag der Ring nur in einer Schublade, erst seit etwa 2 Jahren trage ich ihn wieder. Meine Mutter hat einen Wappenteller aus Messing auf ihrem Schrank stehen mit diesem Wappen drauf.
    Die alte Frau wusse auch noch zu berichten, daß das Wappen unseren Vorfahren in Arolsen verliehen worden sei, damals im Dienst der Grafen von Waldeck.
    Heute fand ich einen weitern Stammbaum im Internet und einen Beleg für die Vermutung, daß meine Vorfahren in Diensten als Justiz- und Finanzbeamte, aber auch als Militärs in Bentheim und Waldeck standen.
    Dies wird weiter nachzuforschen sein, Burg Bentheim ist schon angeschrieben und Arolsen ist ja auch nicht so weit weg von Münster.

    In Vietnam entwickeln sich die Dinge. Die TV Show hat sich bei mir gemeldet und um weitere Angaben und Fotos gebeten. Allerdings ist in Vietnam gerade das TET Fest, und das ist so als wenn bei uns Weihnachten, Ostern und Karneval auf einen Tag fällt. Es wird also bis Mitte Februar dauern bis es hier weiter gehen kann.

    Mir bleibt wirklich nichts verborgen!

    Dienstag, 25. Januar 2011

    Jetzt wird es was!

    Je mehr Netze man auswirft, um so mehr Fische fängt man auch.

    Gerade bekam ich Antwort von der Princton Universität in den USA. Die Uni bietet Praktikum Stellen für angehende Lehrer in Asien an. Unter anderem in dem kleinen Dorf (Rach Goi) bei Can Tho/Vietnam in dem mein Vater in den 60er Jahren lebte.
    Ich fand die Seite bei meiner Internetrecherche vor einigen Wochen und habe die einfach mal angeschrieben.
    Jetzt kam die Antwort. Sie haben die Mail an ihre Kollegen in Vietnam weitergeleitet und werden mal schauen ob und wie man helfen kann.

    Ausserdem hat Kent (sh mein letzter Post) schon einige Hebel in Vietnam in Bewegung gesetzt. Eins seiner Patenkinder (Studentin in Hanoi) hat mich schon angeschrieben und mir vorgeschlagen mich auf einer Internetseite des Vietnamesischen Fernsehens zu registrieren. Dort wird nämlich eine ganz ähnliche Sendung wie unser deutsches "Bitte melde Dich" produziert. Dort heisst es "It' is not goodbye".
    Zum Glück gibt es das Registrierungsformular auch in Englisch, der Rest der Seite bleibt mir leider unverständlich.
    Aber wer weiss - vielleicht komme ich ja bald ins Fernsehen!

    Als nächstes werde ich im bischöflichen Archiv hier in Münster mal ein paar Netze auswerfen, vielleicht bleibt ja was hängen.

    Samstag, 22. Januar 2011

    Gute Nachrichten

    Es gibt auch gute Tage! :-)
    Gestern schreib mir meine Cousine dritten Grades und schickte mir auch ein paar alte Fotos und Unterlagen.
    Der Cousin meines Grossvaters, also der Sohn vom Bruder meines UrGrossvaters, war ein JAZZ Musiker!

    Fred Redlich's Jazz Harmonicers
    Leider ist bislang wenig darüber zu finden, auch Google konnte mir nicht helfen. Aber solch eine Spur verfolgt man doch gerne weiter. Die Band war wohl eher lokal bekannt aber Fred war sein ganzes Leben lang ein Musiker und Bandleader.
    Hier ein Foto von ihm aus dem Jahr 1954.
    Fred Redlich 1954
     Jetzt brauch ich mich auch nicht mehr zu wundern warum ich beim kürzlich besuchten Konzert von Cindy Blackman ständig ein Zucken in den Beinen verspürte.

    Auch erreichte mich heute eine Mail aus den USA, per Internetrecherche habe ich einen ehemaligen Soldaten ausfindig gemacht, der öfters längere Reisen in Vietnam unternimmt und einen Blog dazu schreibt:

    Hier der link zu seinem Blog

    Da er sich gut in DaNang (ehemals franz. Tourane) auszukennen scheint, will er mir helfen. Denn mein Vater ist dort desertiert , es besteht eine hohe Wahrscheinlickeit, dass er dort auch seine erst Frau Karin getroffen hat. Das Kind könnte also in einem Geburtseintrag einer lokalen Kirche aufgeführt sein.
    Kent reist im März wieder nach Vietnam und wird seine Kontakte nutzen, um mir zu helfen.
    Danke Kent!

    Mittwoch, 19. Januar 2011

    Also doch: Mitgliedsnummer 5838132

    Gestern kam ein Baustein meiner Recherchen per Post zurück zu mir.
    Das Bundesarchiv verwaltet die Bestände des ehemaligen Berlin Document Centers (BDC).
    Das Document Center wurde nach dem Krieg in Berlin angelegt um die Nürnberger Prozesse vorzubereiten.
    1994 ging die US-amerikanische Verwaltung auf das Bundesarchiv über.
    Jetzt kann man dort auch als Privatperson Anfragen stellen, ob Vorfahren z.B. Mitglied der NSDAP oder anderer Organisationen des Nationalsozialismus waren.

    Dieses Foto meines Grossvaters hatte mich stutzig gemacht:

    Walter Redlich ca. 1942/43
    Was trägt er da so klein und rund an seinem Rever des Anzugs? Doch nicht das Abzeichen der NSDAP?
    Walter Redlich kam aus einer preussisch, militärisch geprägten Familie, auf alten Fotos sind oft auch Männer in Militäruniformen abgelichtet. Er arbeitete als Behördenangestellter, wahrscheinlich irgendwo in der Finanzverwaltung von Münster. Damit stand er in einer längeren Tradition seiner männlichen Vorfahren.

    Gestern kam also besagter Brief vom Bundesarchiv: Mein Grossvater ist am 1. Mai 1937 in die NSDAP eingetreten und seine Mitgliedsnummer lautet 5838132

    Mitgliedskarteikarte von Walter Redlich
    Mein Grossvater ist ausgerechnet am 1. Mai in die NSDAP eingetreten? An dem Tag, an dem die Gewerkschaften traditionell für ihre Rechte demonstriert haben. Jene Gewerkschaften die am 2. Mai 1933 aufgelöst, entmachtet und in die "Deutsche Arbeitsfront" gezwungen wurden.
    Das Beitrittsdatum ist noch aus einem anderen Grund interessant. Seit April 1933 gab es in der NSDAP offiziell einen totalen Aufnahmestop für neue Mitglieder. Damit wollte die Parteileitung verhindern, dass zuviele Mitläufer, Opportunisten oder auch Gegner in die NSDAP eintraten. Ihre Mitgliederzahlen waren seit Januar 1933 von 850.000 bis April 1933 auf über 2.5 Millionen angewachsen.
    Die Aufnahmesperre wurde mehrmals gelockert. So durften zunächst Mitglieder der HJ, SA und SS weiterhin eintreten. Ab dem 20. April 1937 auch wieder die Bürger, welche sich seit der Machtübernahme in den Gliederungen und angeschlossenen Verbänden der Partei als Nationalsozialisten bewährt hatten.
    Tja, an Mitläufer und harmlos denke ich da erstmal nicht.
    Erst im Mai 1939 wurde die Aufnahmesperre endgültig aufgehoben. Bis Ende des Krieges im Mai 1945 hatte die NSDAP ca. 8,5 Millionen Mitglieder.
    Zum NDSDAP Aufnahmeverfahren kann man hier etwas nachlesen.

    Montag, 17. Januar 2011

    Recherche

    Das Recherchieren ist im engeren Sinne ein Verfahren zur Beschaffung und Beurteilung von Aussagen, die ohne dieses Verfahren nicht preisgegeben, also nicht publik würden. Im weiteren Sinne ist es ein Verfahren zur adäquaten Abbildung realer, d. h. sinnlich wahrgenommener Wirklichkeit mit den Mitteln der Sprache.“ (Quelle: Michael Haller - Medienwissenschaftler, zitiert nach Wikipedia )

    Tja, da hab ich mir ja was eingebrockt. Nachdem ich in den ersten Tagen dieses Blogs jeden Tag aus vollen Rohren feuern bzw. schreiben konnte, bin ich doch jetzt ein wenig in Verzug geraten.
    Das liegt aber ganz und garnicht daran, dass ich die Lust verloren oder ich nichts mehr zu erzählen hätte. Ganz im Gegenteil. Jeden Tag stosse ich auf neue Informationen und Zusammenhänge die irgendwie erzählt werden wollen. Allerdings haben sie die Angwohnheit doch eher unstrukturiert und zusammenhanglos aufzutauchen.
    Am Donnerstag der letzten Woche habe ich mir eine Tag Urlaub genommen und diesen im Stadtarchiv der Stadt Münster verbracht.
    Ich bin dort auf der Suche nach alten Urkunden über meine Familie gewesen und habe auch zahlreiche Einträge über Geburten, Heiraten und Sterbefälle in den dicken Büchern der alten Standesämter gefunden. Auch in alten Adressbüchern wurde ich fündig. Einiges lass ich mir 'reproduzieren' und das dauert halt ein paar Tage.
    Im Original der Geburtsurkunde meines Vaters steht, wo meine Großeltern damals wohnten (Katthagen 47 in Münster) und wo mein Vater geboren ist (Münzstrasse 38). Heute ist im Haus Münzstrasse 38 ein Seniorenheim untergebracht - aber 1929 muss hier wohl ein kleines Krankenhaus oder ähnlich gewesen sein. Also wird die Recherche weiter geführt.
    Das Haus Katthagen 47 gibt es nicht mehr, ist wohl im Krieg zerbombt worden. Apropos Krieg - wie lebte mein Vater und seine Familie zur Zeit des Krieges und danach wohl in Münster? Auch hierzu habe ich im Stadtarchiv geforscht.
    Aus der Stadtbücherei hat mir meine Frau heute zahlreiche Bücher mit vielen Fotos aus Münster in der Zeit vor, während und nach dem Krieg mitgebracht. Eine Unmenge von Informationen die erstmal ausgewertet werden muss.
    Einige werden wohl den Film "Hungerwinter" über den sehr kalten Winter 1946/47 gesehen haben. Damals, direkt nach dem Krieg wurde die Not und das Elend der Menschen in ganz Europa durch den kältesten Winter seit langer Zeit noch schlimmer. Auch in Münster. Dazu suche ich gerade nach Fakten die ich weitergeben will.
    In weiter zurück liegenden Generationen meiner Familie gibt es noch grosse Lücken im Stammbaum und Ereignisse die nur unzureichend belegt sind. Bei den Standesämtern von Bad Arolsen (bei Kassel) und Falkenstein im Vogtland habe ich deshalb Unterlagen angefordert.

    Heute zeige ich erstmal nur ein Foto welches direkt nach dem Krieg aufgenommen wurde:

    Münster 1945 - Ecke Warendorfersrtrasse / Gerionstrasse
    Das Foto wurde 1945 aufgenommen und zeigt die Ruine eines Hauses in der damals noch Menschen im Keller wohnten. Es wurde nur eine Querstrasse entfernt von der Wohnstrasse der Familie meines Vaters aufgenommen.
    Münster gehörte nach Köln und Aachen zu den am stärksten zerstörten Städten des II. Weltkrieges. Auch das Haus in dem meine Familie wohnte wurde im Krieg zerstört. 1936 wohnten sie Overbergstrasse 11, nach dem Krieg in der Nummer 19. Auch wenn man heute durch die Strasse geht, sieht man, dass bei Nummer 11 eine Lücke mit einem neueren Haus geschlossen wurde.
    An der Stelle wo das Haus auf dem Foto stand, war in den 60er Jahren dann das Haus in dem die Praxis unseres Hausarztes untergebracht war.
    Es werden spannende Recherchen und ich werde sicher auch weiterhin darüber schreiben. Bis dahin also.

    Mittwoch, 5. Januar 2011

    Ich bin dann mal weg...

    Durch die Unterlagen, welche mir mein Cousin und meine Cousine gegeben haben, bin ich heute in der Lage, das Leben meines Vaters in vielen Teilen besser nachzuvollziehen. Seine Mutter hat viele Dokumente aufbewahrt. Nach ihrem Tod gingen sie in die Hände meiner Tante Ursula über. Erst vierzig Jahre nach seinem Tod habe ich sie erhalten.
    Mein Vater ist im Juni 1929 geboren. Er wurde 1937 oder 1938 eingeschult, seit November 1941 ging er auf die Städtische Knaben Mittelschule in Münster. Diese Schule besuchte er noch im Jahre 1946, als der Krieg schon vorbei und sein Vater bereits in Gefangeschaft gestorben war. Über den Tod des Vaters wusste die Familie wahrscheinlich bis 1947 nichts (dies muss ich noch erforschen).
    Im Dezember 1946 verlies mein Vater auf eigenen Wunsch die Schule und ihm wurde ein Abgangszeugnis ausgestellt.
    Abgangszeugnis 1946
    Warum genau er die Schule verlies, wird sich nicht klären lassen. Ich halte es aber für sehr wahrscheinlich, dass mein Vater durch Aufnahme einer Beschäftigung zum Unterhalt der Familie beitragen musste.
     Bereits zwei Tage nach seiner Schulentlassung fing er nämlich an zu arbeiten. Er hatte eine Anstellung beim Landesamt für Statistik, Abt. Volkszählung als Signierer erhalten. Dort arbeitete er bis November 1947 und wurde dann 'im Rahmen des allgemeinen Personalabbaus' mit einem guten Zeugnis entlassen.

    Zeugnis Landesamt Statisik
    Danach war er etwa ein Jahr arbeitslos - jedenfalls konnte ich für diese Zeit keine Beschäftigung nachweisen. Er fing im Dezember 1948 bei einem Fahradhändler in Münster eine Beschäftigung an: Hans Pradel. Dieser Name ist deshalb bemerkenswert, da Hans Pradel als Widerstandskämpfer gegen die Nazis in Münster bekannt ist. Zu dieser Zeit stellte er noch eigene Fahrräder der Marke Florida her.

    Steuerkopfschild von Hans Pradel aus den 50er Jahren
    Am 6. Mai 1949 hat mein Vater diese Beschäftigung aufgeben, auf eigenen Wunsch wie es im Zeugnis heisst, da er sich einer "Kur-Behandlung" unterziehen musste. Ob dies stimmt oder ob damit ein anderer Sachverhalt verschleiert werden sollte ist unklar.

    Zeugnis von Hans Pradel
    Er hat dann tatsächlich erst wieder im August 1950 eine Beschäftigung aufgenommen, so steht es jedenfalls in seinen Rentenunterlagen der LVA. Diese endete dann im März 1951.
    Im Februar 1952 verschwand mein Vater über Nacht aus Münster. Weder seine Mutter noch seine Geschwister wussten wo er war, die Gründe für sein Untertauchen sind auch nicht 100%ig bekannt. Es gibt lediglich Gerüchte, dass er mit dem Gesetz in Konflikt geraten sei, andere meinen, seine strenge Mutter habe ihm das Leben zur Hölle gemacht und er wollte jetzt, mit 21 Jahren, sein eigenes Leben führen.
    Er tauchte am 5. Februar in Marseille - Aubagne beim Rekrutierungsbüro der Fremdenlegion auf und hat dort eine Verpflichtungserklärung unterschrieben. Es ist bekannt, dass damals sog. Anwerber der Legion gezielt junge Männer in Deutschland ansprachen und für die Legion warben, ob er einem Anwerber auf den Leim ging oder auf eigene Faust nach Marseille reiste ist nicht bekannt.

    Verpflichtungserklärung der Fremdenlegion
    Von Marseille wurde mein Vater nach einigen Tagen zur Grundausbildung nach Algerien / Oran verlegt und dann im September 1952 nach Saigon / Vietnam verschifft. Erst zu Weihnachten 1952 schickte er einen Gruß zu seiner Familie nach Deutschland. Bis dahin wussten sie nicht, wo er war und was er machte.