Sonntag, 30. Januar 2011

Nil Clausum Sincereo

Jeden Tag kommt was Neues raus.
Gestern habe ich mit der Ehefrau des (leider) verstorbenen Jazz-Musikers Fred Redlich telefoniert. Sie ist 89 Jahre alt und lebt noch immer in Münster. Vor einiger Zeit hatte ich alle Redlichs, die im Telefonbuch stehen angeschrieben, mit einem Auszug aus meinem Stammbaum und um Kontaktaufnahme gebeten, falls wir gemeinsame Vorfahren hätten.
Aber ich hätte niemals damit gerechnet ausgerechnet diesen Kontakt zu erhalten!
Während wir so plaudern am Telefon erwähnt sie das Wappen welches bei ihr im Wohnzimmer hängt, ihr Mann hätte es von Verwandten erhalten. Ich bin fast umgefallen. Ich konnte ihr das Wappen genau beschreiben: Ein Turm mit offener Tür, darüber zwei kleine Fenster, über dem Turm ein Helm, dreifach befiedert. Um das Waffen steht der lateinische Sinnspruch: "Nil Clausum Sincereo". (Etwas frei übersetzt: 'Dem redlichen bleibt nichts verborgen').
Sie war natürlich auch total überrascht, daß ich das Wappen kannte. Von meinem verstorbenen Onkel Herrmann habe ich nach seinem Tod einen Siegelring mit genau diesem Wappen erhalten. Da ich jetzt der Älteste männliche Nachkomme der Redlichs sei. Damals (1985) habe ich wenig darum gegeben, jahrelang lag der Ring nur in einer Schublade, erst seit etwa 2 Jahren trage ich ihn wieder. Meine Mutter hat einen Wappenteller aus Messing auf ihrem Schrank stehen mit diesem Wappen drauf.
Die alte Frau wusse auch noch zu berichten, daß das Wappen unseren Vorfahren in Arolsen verliehen worden sei, damals im Dienst der Grafen von Waldeck.
Heute fand ich einen weitern Stammbaum im Internet und einen Beleg für die Vermutung, daß meine Vorfahren in Diensten als Justiz- und Finanzbeamte, aber auch als Militärs in Bentheim und Waldeck standen.
Dies wird weiter nachzuforschen sein, Burg Bentheim ist schon angeschrieben und Arolsen ist ja auch nicht so weit weg von Münster.

In Vietnam entwickeln sich die Dinge. Die TV Show hat sich bei mir gemeldet und um weitere Angaben und Fotos gebeten. Allerdings ist in Vietnam gerade das TET Fest, und das ist so als wenn bei uns Weihnachten, Ostern und Karneval auf einen Tag fällt. Es wird also bis Mitte Februar dauern bis es hier weiter gehen kann.

Mir bleibt wirklich nichts verborgen!

Dienstag, 25. Januar 2011

Jetzt wird es was!

Je mehr Netze man auswirft, um so mehr Fische fängt man auch.

Gerade bekam ich Antwort von der Princton Universität in den USA. Die Uni bietet Praktikum Stellen für angehende Lehrer in Asien an. Unter anderem in dem kleinen Dorf (Rach Goi) bei Can Tho/Vietnam in dem mein Vater in den 60er Jahren lebte.
Ich fand die Seite bei meiner Internetrecherche vor einigen Wochen und habe die einfach mal angeschrieben.
Jetzt kam die Antwort. Sie haben die Mail an ihre Kollegen in Vietnam weitergeleitet und werden mal schauen ob und wie man helfen kann.

Ausserdem hat Kent (sh mein letzter Post) schon einige Hebel in Vietnam in Bewegung gesetzt. Eins seiner Patenkinder (Studentin in Hanoi) hat mich schon angeschrieben und mir vorgeschlagen mich auf einer Internetseite des Vietnamesischen Fernsehens zu registrieren. Dort wird nämlich eine ganz ähnliche Sendung wie unser deutsches "Bitte melde Dich" produziert. Dort heisst es "It' is not goodbye".
Zum Glück gibt es das Registrierungsformular auch in Englisch, der Rest der Seite bleibt mir leider unverständlich.
Aber wer weiss - vielleicht komme ich ja bald ins Fernsehen!

Als nächstes werde ich im bischöflichen Archiv hier in Münster mal ein paar Netze auswerfen, vielleicht bleibt ja was hängen.

Samstag, 22. Januar 2011

Gute Nachrichten

Es gibt auch gute Tage! :-)
Gestern schreib mir meine Cousine dritten Grades und schickte mir auch ein paar alte Fotos und Unterlagen.
Der Cousin meines Grossvaters, also der Sohn vom Bruder meines UrGrossvaters, war ein JAZZ Musiker!

Fred Redlich's Jazz Harmonicers
Leider ist bislang wenig darüber zu finden, auch Google konnte mir nicht helfen. Aber solch eine Spur verfolgt man doch gerne weiter. Die Band war wohl eher lokal bekannt aber Fred war sein ganzes Leben lang ein Musiker und Bandleader.
Hier ein Foto von ihm aus dem Jahr 1954.
Fred Redlich 1954
 Jetzt brauch ich mich auch nicht mehr zu wundern warum ich beim kürzlich besuchten Konzert von Cindy Blackman ständig ein Zucken in den Beinen verspürte.

Auch erreichte mich heute eine Mail aus den USA, per Internetrecherche habe ich einen ehemaligen Soldaten ausfindig gemacht, der öfters längere Reisen in Vietnam unternimmt und einen Blog dazu schreibt:

Hier der link zu seinem Blog

Da er sich gut in DaNang (ehemals franz. Tourane) auszukennen scheint, will er mir helfen. Denn mein Vater ist dort desertiert , es besteht eine hohe Wahrscheinlickeit, dass er dort auch seine erst Frau Karin getroffen hat. Das Kind könnte also in einem Geburtseintrag einer lokalen Kirche aufgeführt sein.
Kent reist im März wieder nach Vietnam und wird seine Kontakte nutzen, um mir zu helfen.
Danke Kent!

Mittwoch, 19. Januar 2011

Also doch: Mitgliedsnummer 5838132

Gestern kam ein Baustein meiner Recherchen per Post zurück zu mir.
Das Bundesarchiv verwaltet die Bestände des ehemaligen Berlin Document Centers (BDC).
Das Document Center wurde nach dem Krieg in Berlin angelegt um die Nürnberger Prozesse vorzubereiten.
1994 ging die US-amerikanische Verwaltung auf das Bundesarchiv über.
Jetzt kann man dort auch als Privatperson Anfragen stellen, ob Vorfahren z.B. Mitglied der NSDAP oder anderer Organisationen des Nationalsozialismus waren.

Dieses Foto meines Grossvaters hatte mich stutzig gemacht:

Walter Redlich ca. 1942/43
Was trägt er da so klein und rund an seinem Rever des Anzugs? Doch nicht das Abzeichen der NSDAP?
Walter Redlich kam aus einer preussisch, militärisch geprägten Familie, auf alten Fotos sind oft auch Männer in Militäruniformen abgelichtet. Er arbeitete als Behördenangestellter, wahrscheinlich irgendwo in der Finanzverwaltung von Münster. Damit stand er in einer längeren Tradition seiner männlichen Vorfahren.

Gestern kam also besagter Brief vom Bundesarchiv: Mein Grossvater ist am 1. Mai 1937 in die NSDAP eingetreten und seine Mitgliedsnummer lautet 5838132

Mitgliedskarteikarte von Walter Redlich
Mein Grossvater ist ausgerechnet am 1. Mai in die NSDAP eingetreten? An dem Tag, an dem die Gewerkschaften traditionell für ihre Rechte demonstriert haben. Jene Gewerkschaften die am 2. Mai 1933 aufgelöst, entmachtet und in die "Deutsche Arbeitsfront" gezwungen wurden.
Das Beitrittsdatum ist noch aus einem anderen Grund interessant. Seit April 1933 gab es in der NSDAP offiziell einen totalen Aufnahmestop für neue Mitglieder. Damit wollte die Parteileitung verhindern, dass zuviele Mitläufer, Opportunisten oder auch Gegner in die NSDAP eintraten. Ihre Mitgliederzahlen waren seit Januar 1933 von 850.000 bis April 1933 auf über 2.5 Millionen angewachsen.
Die Aufnahmesperre wurde mehrmals gelockert. So durften zunächst Mitglieder der HJ, SA und SS weiterhin eintreten. Ab dem 20. April 1937 auch wieder die Bürger, welche sich seit der Machtübernahme in den Gliederungen und angeschlossenen Verbänden der Partei als Nationalsozialisten bewährt hatten.
Tja, an Mitläufer und harmlos denke ich da erstmal nicht.
Erst im Mai 1939 wurde die Aufnahmesperre endgültig aufgehoben. Bis Ende des Krieges im Mai 1945 hatte die NSDAP ca. 8,5 Millionen Mitglieder.
Zum NDSDAP Aufnahmeverfahren kann man hier etwas nachlesen.

Montag, 17. Januar 2011

Recherche

Das Recherchieren ist im engeren Sinne ein Verfahren zur Beschaffung und Beurteilung von Aussagen, die ohne dieses Verfahren nicht preisgegeben, also nicht publik würden. Im weiteren Sinne ist es ein Verfahren zur adäquaten Abbildung realer, d. h. sinnlich wahrgenommener Wirklichkeit mit den Mitteln der Sprache.“ (Quelle: Michael Haller - Medienwissenschaftler, zitiert nach Wikipedia )

Tja, da hab ich mir ja was eingebrockt. Nachdem ich in den ersten Tagen dieses Blogs jeden Tag aus vollen Rohren feuern bzw. schreiben konnte, bin ich doch jetzt ein wenig in Verzug geraten.
Das liegt aber ganz und garnicht daran, dass ich die Lust verloren oder ich nichts mehr zu erzählen hätte. Ganz im Gegenteil. Jeden Tag stosse ich auf neue Informationen und Zusammenhänge die irgendwie erzählt werden wollen. Allerdings haben sie die Angwohnheit doch eher unstrukturiert und zusammenhanglos aufzutauchen.
Am Donnerstag der letzten Woche habe ich mir eine Tag Urlaub genommen und diesen im Stadtarchiv der Stadt Münster verbracht.
Ich bin dort auf der Suche nach alten Urkunden über meine Familie gewesen und habe auch zahlreiche Einträge über Geburten, Heiraten und Sterbefälle in den dicken Büchern der alten Standesämter gefunden. Auch in alten Adressbüchern wurde ich fündig. Einiges lass ich mir 'reproduzieren' und das dauert halt ein paar Tage.
Im Original der Geburtsurkunde meines Vaters steht, wo meine Großeltern damals wohnten (Katthagen 47 in Münster) und wo mein Vater geboren ist (Münzstrasse 38). Heute ist im Haus Münzstrasse 38 ein Seniorenheim untergebracht - aber 1929 muss hier wohl ein kleines Krankenhaus oder ähnlich gewesen sein. Also wird die Recherche weiter geführt.
Das Haus Katthagen 47 gibt es nicht mehr, ist wohl im Krieg zerbombt worden. Apropos Krieg - wie lebte mein Vater und seine Familie zur Zeit des Krieges und danach wohl in Münster? Auch hierzu habe ich im Stadtarchiv geforscht.
Aus der Stadtbücherei hat mir meine Frau heute zahlreiche Bücher mit vielen Fotos aus Münster in der Zeit vor, während und nach dem Krieg mitgebracht. Eine Unmenge von Informationen die erstmal ausgewertet werden muss.
Einige werden wohl den Film "Hungerwinter" über den sehr kalten Winter 1946/47 gesehen haben. Damals, direkt nach dem Krieg wurde die Not und das Elend der Menschen in ganz Europa durch den kältesten Winter seit langer Zeit noch schlimmer. Auch in Münster. Dazu suche ich gerade nach Fakten die ich weitergeben will.
In weiter zurück liegenden Generationen meiner Familie gibt es noch grosse Lücken im Stammbaum und Ereignisse die nur unzureichend belegt sind. Bei den Standesämtern von Bad Arolsen (bei Kassel) und Falkenstein im Vogtland habe ich deshalb Unterlagen angefordert.

Heute zeige ich erstmal nur ein Foto welches direkt nach dem Krieg aufgenommen wurde:

Münster 1945 - Ecke Warendorfersrtrasse / Gerionstrasse
Das Foto wurde 1945 aufgenommen und zeigt die Ruine eines Hauses in der damals noch Menschen im Keller wohnten. Es wurde nur eine Querstrasse entfernt von der Wohnstrasse der Familie meines Vaters aufgenommen.
Münster gehörte nach Köln und Aachen zu den am stärksten zerstörten Städten des II. Weltkrieges. Auch das Haus in dem meine Familie wohnte wurde im Krieg zerstört. 1936 wohnten sie Overbergstrasse 11, nach dem Krieg in der Nummer 19. Auch wenn man heute durch die Strasse geht, sieht man, dass bei Nummer 11 eine Lücke mit einem neueren Haus geschlossen wurde.
An der Stelle wo das Haus auf dem Foto stand, war in den 60er Jahren dann das Haus in dem die Praxis unseres Hausarztes untergebracht war.
Es werden spannende Recherchen und ich werde sicher auch weiterhin darüber schreiben. Bis dahin also.

Mittwoch, 5. Januar 2011

Ich bin dann mal weg...

Durch die Unterlagen, welche mir mein Cousin und meine Cousine gegeben haben, bin ich heute in der Lage, das Leben meines Vaters in vielen Teilen besser nachzuvollziehen. Seine Mutter hat viele Dokumente aufbewahrt. Nach ihrem Tod gingen sie in die Hände meiner Tante Ursula über. Erst vierzig Jahre nach seinem Tod habe ich sie erhalten.
Mein Vater ist im Juni 1929 geboren. Er wurde 1937 oder 1938 eingeschult, seit November 1941 ging er auf die Städtische Knaben Mittelschule in Münster. Diese Schule besuchte er noch im Jahre 1946, als der Krieg schon vorbei und sein Vater bereits in Gefangeschaft gestorben war. Über den Tod des Vaters wusste die Familie wahrscheinlich bis 1947 nichts (dies muss ich noch erforschen).
Im Dezember 1946 verlies mein Vater auf eigenen Wunsch die Schule und ihm wurde ein Abgangszeugnis ausgestellt.
Abgangszeugnis 1946
Warum genau er die Schule verlies, wird sich nicht klären lassen. Ich halte es aber für sehr wahrscheinlich, dass mein Vater durch Aufnahme einer Beschäftigung zum Unterhalt der Familie beitragen musste.
 Bereits zwei Tage nach seiner Schulentlassung fing er nämlich an zu arbeiten. Er hatte eine Anstellung beim Landesamt für Statistik, Abt. Volkszählung als Signierer erhalten. Dort arbeitete er bis November 1947 und wurde dann 'im Rahmen des allgemeinen Personalabbaus' mit einem guten Zeugnis entlassen.

Zeugnis Landesamt Statisik
Danach war er etwa ein Jahr arbeitslos - jedenfalls konnte ich für diese Zeit keine Beschäftigung nachweisen. Er fing im Dezember 1948 bei einem Fahradhändler in Münster eine Beschäftigung an: Hans Pradel. Dieser Name ist deshalb bemerkenswert, da Hans Pradel als Widerstandskämpfer gegen die Nazis in Münster bekannt ist. Zu dieser Zeit stellte er noch eigene Fahrräder der Marke Florida her.

Steuerkopfschild von Hans Pradel aus den 50er Jahren
Am 6. Mai 1949 hat mein Vater diese Beschäftigung aufgeben, auf eigenen Wunsch wie es im Zeugnis heisst, da er sich einer "Kur-Behandlung" unterziehen musste. Ob dies stimmt oder ob damit ein anderer Sachverhalt verschleiert werden sollte ist unklar.

Zeugnis von Hans Pradel
Er hat dann tatsächlich erst wieder im August 1950 eine Beschäftigung aufgenommen, so steht es jedenfalls in seinen Rentenunterlagen der LVA. Diese endete dann im März 1951.
Im Februar 1952 verschwand mein Vater über Nacht aus Münster. Weder seine Mutter noch seine Geschwister wussten wo er war, die Gründe für sein Untertauchen sind auch nicht 100%ig bekannt. Es gibt lediglich Gerüchte, dass er mit dem Gesetz in Konflikt geraten sei, andere meinen, seine strenge Mutter habe ihm das Leben zur Hölle gemacht und er wollte jetzt, mit 21 Jahren, sein eigenes Leben führen.
Er tauchte am 5. Februar in Marseille - Aubagne beim Rekrutierungsbüro der Fremdenlegion auf und hat dort eine Verpflichtungserklärung unterschrieben. Es ist bekannt, dass damals sog. Anwerber der Legion gezielt junge Männer in Deutschland ansprachen und für die Legion warben, ob er einem Anwerber auf den Leim ging oder auf eigene Faust nach Marseille reiste ist nicht bekannt.

Verpflichtungserklärung der Fremdenlegion
Von Marseille wurde mein Vater nach einigen Tagen zur Grundausbildung nach Algerien / Oran verlegt und dann im September 1952 nach Saigon / Vietnam verschifft. Erst zu Weihnachten 1952 schickte er einen Gruß zu seiner Familie nach Deutschland. Bis dahin wussten sie nicht, wo er war und was er machte.