Mittwoch, 5. Januar 2011

Ich bin dann mal weg...

Durch die Unterlagen, welche mir mein Cousin und meine Cousine gegeben haben, bin ich heute in der Lage, das Leben meines Vaters in vielen Teilen besser nachzuvollziehen. Seine Mutter hat viele Dokumente aufbewahrt. Nach ihrem Tod gingen sie in die Hände meiner Tante Ursula über. Erst vierzig Jahre nach seinem Tod habe ich sie erhalten.
Mein Vater ist im Juni 1929 geboren. Er wurde 1937 oder 1938 eingeschult, seit November 1941 ging er auf die Städtische Knaben Mittelschule in Münster. Diese Schule besuchte er noch im Jahre 1946, als der Krieg schon vorbei und sein Vater bereits in Gefangeschaft gestorben war. Über den Tod des Vaters wusste die Familie wahrscheinlich bis 1947 nichts (dies muss ich noch erforschen).
Im Dezember 1946 verlies mein Vater auf eigenen Wunsch die Schule und ihm wurde ein Abgangszeugnis ausgestellt.
Abgangszeugnis 1946
Warum genau er die Schule verlies, wird sich nicht klären lassen. Ich halte es aber für sehr wahrscheinlich, dass mein Vater durch Aufnahme einer Beschäftigung zum Unterhalt der Familie beitragen musste.
 Bereits zwei Tage nach seiner Schulentlassung fing er nämlich an zu arbeiten. Er hatte eine Anstellung beim Landesamt für Statistik, Abt. Volkszählung als Signierer erhalten. Dort arbeitete er bis November 1947 und wurde dann 'im Rahmen des allgemeinen Personalabbaus' mit einem guten Zeugnis entlassen.

Zeugnis Landesamt Statisik
Danach war er etwa ein Jahr arbeitslos - jedenfalls konnte ich für diese Zeit keine Beschäftigung nachweisen. Er fing im Dezember 1948 bei einem Fahradhändler in Münster eine Beschäftigung an: Hans Pradel. Dieser Name ist deshalb bemerkenswert, da Hans Pradel als Widerstandskämpfer gegen die Nazis in Münster bekannt ist. Zu dieser Zeit stellte er noch eigene Fahrräder der Marke Florida her.

Steuerkopfschild von Hans Pradel aus den 50er Jahren
Am 6. Mai 1949 hat mein Vater diese Beschäftigung aufgeben, auf eigenen Wunsch wie es im Zeugnis heisst, da er sich einer "Kur-Behandlung" unterziehen musste. Ob dies stimmt oder ob damit ein anderer Sachverhalt verschleiert werden sollte ist unklar.

Zeugnis von Hans Pradel
Er hat dann tatsächlich erst wieder im August 1950 eine Beschäftigung aufgenommen, so steht es jedenfalls in seinen Rentenunterlagen der LVA. Diese endete dann im März 1951.
Im Februar 1952 verschwand mein Vater über Nacht aus Münster. Weder seine Mutter noch seine Geschwister wussten wo er war, die Gründe für sein Untertauchen sind auch nicht 100%ig bekannt. Es gibt lediglich Gerüchte, dass er mit dem Gesetz in Konflikt geraten sei, andere meinen, seine strenge Mutter habe ihm das Leben zur Hölle gemacht und er wollte jetzt, mit 21 Jahren, sein eigenes Leben führen.
Er tauchte am 5. Februar in Marseille - Aubagne beim Rekrutierungsbüro der Fremdenlegion auf und hat dort eine Verpflichtungserklärung unterschrieben. Es ist bekannt, dass damals sog. Anwerber der Legion gezielt junge Männer in Deutschland ansprachen und für die Legion warben, ob er einem Anwerber auf den Leim ging oder auf eigene Faust nach Marseille reiste ist nicht bekannt.

Verpflichtungserklärung der Fremdenlegion
Von Marseille wurde mein Vater nach einigen Tagen zur Grundausbildung nach Algerien / Oran verlegt und dann im September 1952 nach Saigon / Vietnam verschifft. Erst zu Weihnachten 1952 schickte er einen Gruß zu seiner Familie nach Deutschland. Bis dahin wussten sie nicht, wo er war und was er machte.